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Europa in meinem Alltag

Wo seht ihr Europa in eurem Alltag? Kurz vor den Europawahlen haben wir diese Frage Jugendlichen in Deutschland und Frankreich gestellt. Und sie in Bildern antworten lassen. Sie haben mit Fotokameras festgehalten, was für sie in ihrem Leben europäisch ist. Die Bilder sind eher leise als laut, eher konkret als abstrakt und eher persönlich als politisch. Und immer überraschend.

Fotografiert haben Jardel und Shirin in Hamburg, Chelsea und Lucas in Paris, Toni in Heidenheim und Denise und Tomek in Berlin. Ein großes Dankeschön an euch alle!

Tomek in Berlin

Europa – das sind für mich vor allem die Menschen. Das Zusammenleben und Kennenlernen verschiedener Nationalitäten und Kulturen machen das Besondere an Europa aus. Ich habe polnische Eltern, fühle mich aber als Deutscher, weil ich hier geboren und aufgewachsen bin. Wenn ich polnische Leute in Berlin treffe, ist das aber immer cool. Ich mag diesen Austausch und die Offenheit in Europa. Wahrscheinlich könnten wir nicht einfach in ein italienisches Restaurant gehen oder auf der Straße so viele unterschiedliche Sprachen hören, wenn es keine offenen Grenzen gäbe. Ich mache gerade eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement, aber das ist eigentlich nichts für mich. Ich möchte lieber mit Menschen zusammenarbeiten als im Büro und überlege, noch zu studieren, um dem ein bisschen näher zu kommen. Außerdem reise ich gerne und interessiere mich für Kunst und Musik. Ich fotografiere auch unglaublich gern. Man unterscheidet oft zwischen eher mathematisch veranlagten Menschen und „Freidenkern“ – so würde ich mich sehen. Gerade deswegen sind mir Werte wie Meinungsfreiheit und kulturelle Vielfalt in Europa so wichtig. || Das Foto zeigt Tomek mit seiner Kamera.
Europa bedeutet für mich eine ausgeprägte Infrastruktur und vor allem Reisemöglichkeiten. Alles hier ist sehr gut vernetzt – vor allem mit Zügen – und man kann ohne Grenzen überall hinfahren. Im Urlaub ist das praktisch, aber man merkt es auch im Alltag. Die öffentlichen Verkehrsmittel werden immer wichtiger und tragen zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei. Das finde ich sehr wichtig. Europa ist für mich die Antriebskraft hinter dieser Entwicklung. Ich benutze die S-Bahn in Berlin jeden Tag. In den Waggons kommen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Generationen und mit verschiedenen Geschichten zusammen – wie in Europa. Das finde ich genial. || Das Foto zeigt einsteigende Passagiere am S-Bahnhof Südkreuz in Berlin.
Dort, wo jetzt das Flüchtlingsheim steht, war vorher nichts. Jetzt gehört es für mich zum Alltag, jeden Tag daran vorbeizufahren. Ich sehe auch oft die Menschen, die dort leben. Man trifft sich im Bus, es sind bekannte Gesichter. Ein Flüchtling geht auch in meine Berufsschulklasse. Das alles bedeutet für mich auf jeden Fall Europa – die Hilfsbereitschaft und Offenheit. Es ist wichtig, dass wir die Menschen aufnehmen, die Hilfe brauchen. Deutschland hat dabei eine Vorreiterrolle eingenommen, auch wenn alles ein bisschen unorganisiert abgelaufen ist. Aber die Unterstützung für die Flüchtlinge sehe ich trotzdem als europäisches Phänomen. || Das Foto zeigt eine Unterkunft für Geflüchtete in Berlin-Lichterfelde.
Ich finde, Kunst und Kultur werden in Europa sehr stark gefördert und das ist wichtig. Noch wichtiger ist aber, dass man in Europa tun und sagen kann, was man möchte. Natürlich gibt es hier viele Gesetze, aber vor allem gibt es Werte wie Meinungs- und Pressefreiheit. Jeder kann rausgehen und Musik machen, seine Kunst ausleben, aber auch demonstrieren gehen. Diese Freiheit ist für mich Europa. Ich kann zum Beispiel gar nicht verstehen, dass darüber diskutiert wird, die Türkei in die EU aufzunehmen, solange Erdogan dort regiert. Es geht gar nicht um die Menschen dort oder ihre Kultur, sondern um die Regierung, die die Meinungsfreiheit im Land immer weiter einschränkt. Das passt nicht zu Europa. || Das Foto zeigt einen Street Artist im Berliner Gleisdreieckpark.
Wir haben das Glück, in Europa in einer wohlhabenden Gesellschaft zu leben. Und trotzdem sehe ich häufig Menschen, die im Müll zum Beispiel nach Pfandflaschen suchen. Oft sehen sie aus wie du und ich, nicht wie Obdachlose. Das macht mich traurig und auch wütend. Einerseits finde ich es gut, dass es in Deutschland durch das Pfandsystem für ärmere Menschen die Möglichkeit gibt, etwas Geld zu verdienen. Andererseits habe ich das Gefühl, dass es für uns schon normal geworden ist, so etwas zu sehen. Das ist nicht richtig! Niemand sollte darauf angewiesen sein, Flaschen zu sammeln. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer und wir nehmen das oft einfach so hin. Europa muss etwas dagegen tun. || Das Foto zeigt einen Flaschensammler in einem S-Bahnhof in Berlin.
Für mich gehört zu Europa auch der Trend wieder auf sich selbst und andere zu achten. Die Leute machen Sport, achten auf Ernährung und auf Nachhaltigkeit zum Beispiel durch Bike- und Car-Sharing. Zu diesem Lifestyle gehört aber auch die Unterstützung von kleinen Unternehmen statt des Einkaufs bei großen Ketten. Ich gehe lieber in den Imbiss „Zur Bratpfanne“ als zu McDonalds – das ist ein bisschen teurer, aber das Essen schmeckt besser und es ist viel persönlicher. Das Individuelle und Besondere solcher kleinen Läden gefällt mir. Ich habe das Gefühl, man wird in Europa darin unterstützt, sich selbst zu verwirklichen, sich etwas Eigenes aufzubauen. Zwar kommt der Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ eigentlich aus Amerika, ich finde aber, heute passt er besser zu Europa. || Das Foto zeigt einen Imbiss in Berlin-Steglitz.
Ich wusste gar nicht, dass es ein Europäisches Haus in Berlin gibt, bevor ich vor kurzem bei einem Spaziergang davorstand. Dabei liegt es direkt neben dem Brandenburger Tor. Jeder kann dort hineingehen, aber nicht viele wissen, dass es dort steht. Das repräsentiert Europa ganz gut. Der Staatenbund ist zentral und offen für neue Mitglieder, aber auch für Menschen aus anderen Ländern. Trotzdem weiß man nicht so viel davon – das gilt auch für die Europawahl. Ich habe davon noch nicht viel gehört. Trotzdem möchte ich wählen gehen, auch wenn ich mich vorher noch viel informieren muss. Ich habe auch bei der Bundestagswahl gewählt. Wenn man die Möglichkeit hat, konkret in der Politik mitzuwirken, dann sollte man das auch tun. Viele meckern immer nur, dass alles falsch läuft, aber davon allein wird sich nichts ändern. || Das Foto zeigt das Haus der Vertretung der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments am Brandenburger Tor in Berlin.

Shirin in Hamburg

Meine Mutter stammt aus der Türkei, mein Vater aus Palästina. Diese beiden Länder waren in meinem Leben immer wie ein Grundrauschen präsent. Als Kind habe ich sowohl Arabisch als auch Türkisch gesprochen. Heute liebe ich das türkische Essen, das gesellige Zusammensein mit Verwandten, das in dieser Kultur so präsent ist. Ich fühle mich als Deutsche, aber nicht als reine Deutsche. Meine Wurzeln liegen zum Teil in Asien, da der geografisch größte Teil der Türkei und vor allem Palästina Teil des asiatischen Kontinents sind. Aber ich fühle mich trotz dieser Mischung als Europäerin. Diesen Sommer habe ich mein Abitur gemacht und möchte in Hamburg Englisch und Geografie auf Lehramt studieren. Nebenher arbeite ich gerade im „Haus der Jugend“ und in einer Bäckerei. Ich möchte vor dem Studium reisen und die Welt außerhalb Europas sehen. || Das Foto zeigt Shirin in ihrem Zimmer.
Ich kenne in Deutschland keine andere Währung mehr als den Euro. Für mich ist das gemeinsame Geld eine der tollsten Dinge in der EU. Ich reise viel, ob nach Spanien oder nach Italien – überall kann ich mit dem gleichen Geld bezahlen. Ich muss nicht mehr umrechnen oder umtauschen. Reise ich in die Türkei, kann ich dort auch in einigen Läden mit dem Euro bezahlen. Mein Geld dort in Lira umtauschen zu müssen, finde ich nervig. Komme ich zurück nach Hause, habe ich meistens noch ein paar Münzen, die ich in einer Box sammle und anschließend vergesse. Das ist so unpraktisch. || Das Foto zeigt ein Eurozeichen auf dem Boden des Einwohnermeldeamtes in Hamburg-Harburg.
Ich kaufe Lush-Produkte, da die englische Marke ihre Cremes nicht an Tieren testet und sie ihre Produkte nachhaltig herstellt. Ich finde es super, dass ein europäisches Gesetz verbietet, überall in der EU Kosmetika an Tieren zu testen und sie hier zu verkaufen. Für mich soll kein Tier gequält werden, wenn es andere Optionen gibt. Schrecklich ist, dass es trotzdem Schlupflöcher gibt. Wenn Hersteller ihre Produkte auch außerhalb der EU verkaufen, können sie ihre Deos, Cremes und Shampoos auch weiterhin an Tieren testen. Das finde ich schade. Wenn es schon solche Gesetze gibt, dann sollte man sie auch nicht umgehen können. Dass das Europaparlament jetzt ein weltweites Verbot von Tierversuchen fordert, finde ich richtig gut. Wenn so konkrete Dinge verändert werden, ist die EU am stärksten! Deshalb schätze ich sie. Ich weiß, dass ich bald auch bei der Europawahl mitbestimmen kann, wie die Politik der Zukunft aussehen wird. Ich habe mich bislang noch nicht so viel damit beschäftigt, aber vor der Wahl werde ich mich hinsetzen und wirklich schauen, wen ich wählen werde. Ich finde, in der Schule müssten wir mehr über die aktuelle EU-Politik erfahren. Gerade fühle ich mich noch nicht richtig informiert. Aber wählen gehen sehe ich immer als Chance, Dinge so zu verändern, wie man sie gerne hätte. || Das Foto zeigt Lush-Beauty-Produkte.
Auf dieser Karte habe ich alle Länder eingezeichnet, in denen ich schon einmal war. Europa ist bunt. Ich finde es super, vieles hier zu kennen, wie England, Italien oder Spanien. Die Länder scheinen mir aber doch alle ähnlich zu sein – vom Lebensstandard, vom Essen, überall kann man sich mit Englisch verständigen. Ich möchte mehr über die Welt wissen. Und so auch Europa besser verstehen, was den Kontinent ausmacht. Oder Traditionen kennenlernen, die auf der Welt vielleicht ganz anders sind als in Europa. Nächstes Jahr möchte ich deshalb nach Südkorea reisen. Alte Tempel und unaussprechliches Essen kennenlernen. Angst vor der Reise habe ich keine. Ich bin eher aufgeregt und freue mich drauf. || Das Foto zeigt eine Weltkarte, die in Shirins Zimmer hängt.
Europa ist mehr als die EU, es ist ein Kontinent. Dass sich einige dieser Staaten zusammengeschlossen haben, um besseren Handel zu betreiben, damit die Bürger einfacher reisen können und in anderen Staaten arbeiten können, finde ich gut. Dass man Interrail-Tickets geschenkt bekommt, wenn man 18 wird, ist super. Ich wäre gerne nach Holland oder nach Tschechien gereist, weil ich die Länder noch nicht kenne. Und sie trotzdem sehr nah sind. Dass die Engländer entschieden haben, aus dieser Gemeinschaft auszusteigen, bringt für mich eher Nachteile. Ich habe Freunde in London und dort einen Sprachkurs besucht. Ich finde es schade, wenn die Flüge jetzt eventuell teurer werden und ich nicht mehr so unbürokratisch meine Freunde besuchen kann. || Das Foto zeigt die EU-Flagge am Hamburger Rathaus.
Ich würde mir wünschen, dass Europa noch weltoffener ist. Abschottung finde ich absurd. Europa, das sind nicht nur Deutsche oder Schweden, sondern auch Menschen mit ganz anderen Wurzeln. Wenn Flüchtlinge nach Europa wollen, kann man natürlich nicht jeden aufnehmen. Menschen, die diese Offenheit ausnutzen, finde ich blöd. Aber man muss denen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, die offenen Arme ausbreiten. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen in Europa vorstellen, wie es wäre, wenn ihr Haus zerbombt wäre und sie keinen Ort hätten, wo sie in Sicherheit leben könnten. || Das Foto zeigt das Orientierungsschild Rathausforum des Hamburger Stadtteils Harburg.

Lucas in Paris

Die Leute in meinem Alter interessieren sich nicht besonders für die europäische Idee. Als ich meinen Freunden von dem Projekt erzählt habe, haben sie mir nicht gesagt, was sie über Europa denken, und ich habe auch nicht weiter nachgehakt. Ich bin 17 Jahre alt, werde im Mai 2019 volljährig und bin Schüler an einem Pariser Lycée. Ich liebe vollgepackte Tage, Nichtstun ist für mich Zeitverschwendung. Am Anfang ist es mir nicht leichtgefallen, Europa in meinem Alltag zu finden. Also habe ich angefangen, die Dinge, die mich täglich umgeben, aufmerksamer zu betrachten und habe beschlossen, diese Titelseite des Magazins Télérama zu fotografieren, das bei mir zuhause auf einem Tisch herumlag. Thema der Ausgabe waren der Erste Weltkrieg und die deutsch-französische Geschichte. In dieser Geschichte gab es auch andere Kriege, doch der Europagedanke, die Idee einer europäischen Gesellschaft, ist aus dieser Erfahrung entstanden. || Das Foto zeigt die Titelseite einer Ausgabe der französischen Kultur- und Programmzeitschrift Télérama.
Hier habe ich eine Gedenktafel fotografiert. Ich glaube, sie ist den im Zweiten Weltkrieg zur Résistance gehörenden Pariser Widerstandskämpfern gewidmet. Man erkennt nur noch die Inschrift "1943". Noch ein Krieg des 20. Jahrhunderts mit seinen Toten und Verletzten. All das lässt mich an die Opfer denken, die sie damals erbracht haben. Aber das Wichtigste ist, was daraus entstanden ist: Vorstellungen von Freundschaft wurden geboren, die wir respektieren sollten, denke ich. Es ist die Idee einer großen Freundschaft. Ich weiß nicht, ob ganz Europa sie auf die gleiche Weise zelebriert, aber für mich ist das Entscheidende, sich auf die Gestaltung der Gegenwart zu konzentrieren, ohne dabei jemals zu vergessen, was passiert ist. Gegenwart und die Zukunft sind das Wichtigste. || Auf dem Foto ist eine Gedenktafel in Paris zu sehen, die an den Zweiten Weltkrieg erinnert.
Auf meinem täglichen Weg bin ich auf diese schwedische Flagge gestoßen. Sie hing in der Rue des Martyrs - im Hintergrund die Basilika Sacré-Cœur - mit all den italienischen, asiatischen, manchmal auch französischen Restaurants und den vielen Kulturen aus aller Welt. Ich lebe in einer Welt der Vielfalt, in der all diese Kulturen Platz finden. Ich bin mir nicht sicher, ob sich jeder dessen bewusst ist, vor allem unter uns Jugendlichen, die es gar nicht anders kennen. Es ist so selbstverständlich, dass es einem gar nicht mehr auffällt. Aber ich versuche, mir all die Menschen vorzustellen, die in diese Viertel gezogen sind. Für mich ist auch das Europa, dieser Austausch, diese Migrationsbewegungen. || Die Fotografie zeigt eine schwedische Flagge am Schaufenster eines Geschäfts in der Rue des Martyrs in Paris.
Dies ist ein Bild der französischen Stiftung Fondation Œuvre de la Croix Saint-Simon, einer Hilfseinrichtung in der Nähe meiner Schule. So wie mich die Basilika Sacré-Cœur an die christlichen Wurzeln Europas denken ließ - einen grundlegenden Baustein der europäischen wie der französischen Geschichte, der für Frieden und Waffenstillstand eine entscheidende Rolle spielte -, erinnert mich diese Ärztestiftung an die beiden positiven Aspekte Europas: die Möglichkeit, einerseits Vereine zu gründen und andererseits soziale Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn ein Mensch sich in einer schwierigen Lage befindet und der Staat ihn nicht gänzlich auffangen kann, können andere Einrichtungen unterstützend eingreifen. Ich glaube, das ist etwas Wichtiges, das es überall in Europa gibt. || Fotografie einer Zweigstelle der Stiftung Fondation Œuvre de la Croix Saint-Simon in Paris.
In der Nähe meiner Schule habe ich dieses Straßenschild entdeckt. Obwohl es typisch für Paris und typisch französisch ist, ist der Name darauf ein ausländischer. Viele der berühmten Persönlichkeiten, deren Namen auf diesen Schildern stehen, sind keine Franzosen. Ich weiß nicht, ob sich Hannah Arendt, deren Name auf dem Schild steht, als Europäerin fühlte, aber ihre Herkunft und ihr Leben lassen mich vermuten, dass es so war: Eine deutsche Philosophin, die die Zwischenkriegszeit erlebt hat und in die USA floh, um dem Krieg zu entgehen - es ist offensichtlich, dass sie viel über die Konflikte ihrer Zeit nachgedacht haben muss. Eine Deutsche, die in den USA lebte, gibt einem französischen Platz seinen Namen: Das lässt mich über die Geschichte und über Europa nachdenken. || Fotografie eines Straßenschildes an der Place Hannah Arendt im 19. Arrondissement von Paris.
Auch dieses Foto eines Lycée symbolisiert für mich Europa, denn der Zugang zu Bildung ist hier relativ leicht. Ich weiß nicht, ob Bildung überall in Europa kostenlos ist, wie in Frankreich, aber die Mehrheit der europäischen Bürger hat Zugang zu Bildung. Das ist wichtig, um künftige Generationen auszubilden, denn Europa ist stark durch die Geschichte geprägt. Auch deshalb will ich an der Europawahl teilnehmen – erst kurz bevor sie stattfindet, werde ich 18 Jahre alt. Ich sehe ziemlich viel Werbung für die Wahlen auf Twitter. Man könnte nun sagen: Was verstehe ich als junger Franzose schon von Politik? Aber wenn alle 67 Millionen Franzosen so denken, geht niemand zur Wahl. Ich finde, es stimmt, dass man handeln muss, also werde ich es tun. Ich will versuchen, ein guter, aktiver Bürger zu werden, denn das ist wichtig für unsere Zukunft und für Europa. || Das Foto zeigt den Eingang der Technischen Privatschule Lycée Jules Richard im 19. Arrondissement in Paris.

Denise in Berlin

Die deutsch-französische Freundschaft ist für mich sehr wichtig in Europa. Natürlich fällt mir das gerade besonders auf, weil ich momentan im Info-Café Berlin-Paris mein Freiwilliges Soziales Jahr mache, aber auch ansonsten spürt man die besondere Verbindung der beiden Länder sehr. Es gibt viele Organisationen, die sich für die Kommunikation und den Austausch zwischen Deutschland und Frankreich stark machen. Das repräsentiert für mich Europa. Ich war auch schon mal für einen Schüleraustausch in Frankreich und möchte nach meinem FSJ für einen Au Pair-Aufenthalt dorthin zurück. Anschließend möchte ich Französisch und Biologie auf Lehramt studieren. Ich finde es wichtig, motivierte Lehrer in den Schulen zu haben. In meiner Freizeit mache ich gerne Sport und treffe Freunde. Ich bin in Gardelegen geboren, einer kleinen Stadt in Sachsen-Anhalt. Berlin gefällt mir aber viel besser, weil es so lebendig und offen ist – einfach europäisch. || Das Foto zeigt Denise vor dem Info-Café Berlin-Paris des DFJW in Berlin.
Das wichtigste in Europa ist für mich die Freiheit. Man hat unglaublich viele Möglichkeiten. Ich kann ohne Probleme in einem anderen Land leben und arbeiten. Dank der vielen Abkommen kann man auch ganz einfach reisen. Und weil immer mehr Menschen reisen, ist auch die Kommunikation leichter geworden. Wenn ich in einem anderen Land bin, kann ich zum Beispiel fast sicher sein, dass es auch Informationen auf Englisch gibt, sodass ich mich zurechtfinden kann. Genauso gibt es in Berlin überall Hinweisschilder für Touristen und neue Einwohner. Man wird informiert. Dadurch hat man das Gefühl, willkommen zu sein. Ich glaube, das gäbe es ohne Europa so nicht. || Das Foto zeigt den Hashtag #FreiheitBerlin in Berlin.
Wenn ich durch die Straßen in Berlin laufe, sehe ich ständig kleine Dinge, die mich an andere europäische Städte erinnern. Den Fernsehturm assoziiere ich mit dem Eiffelturm in Paris, die vielen Fahrräder erinnern mich an Amsterdam und in Moabit bin ich letztens über eine Londoner Telefonzelle gestolpert. Die steht in einem eher tristen Viertel plötzlich da auf einem kleinen süßen Platz. Dieses Internationale ist eindeutig Europa. Wenn ich mit meiner Mutter verreise, fahren wir eigentlich immer mit der Bahn. Ob nach Prag, Paris oder Amsterdam, alles ist ganz einfach erreichbar. Auch das gehört für mich zu Europa: die Möglichkeit, überall mit dem Zug hingelangen zu können. || Das Foto zeigt eine rote Telefonzelle in Berlin-Moabit.
Europa ist abwechslungsreich. Das sieht man auch an den Häusern – in jedem Land gibt es eine andere Architektur. Ich finde es spannend, wie unterschiedlich die Gebäude zum Beispiel in Paris, in Prag und hier in Berlin sind. Darin spiegelt sich die Geschichte jedes Landes wider. Aber natürlich unterscheiden sich nicht nur die Häuser. Zu Europa gehören auch die vielen Kulturen und Sprachen. Ich jobbe für einen Italiener, eine Trainerin in meinem Fitnessstudio ist Spanierin und ich arbeite mit vielen Franzosen zusammen – alles in einer Stadt. Das gibt es nur in Europa. || Das Foto zeigt ein Gebäude der Berliner Stadtwerke in Berlin-Mitte.
Auf dem Markt in Steglitz treffen sich jede Woche viele verschiedene Kulturen aus Europa und der ganzen Welt. Alle bieten ihre Spezialitäten an und man kann immer etwas Neues probieren. Es gibt auf dem Markt auch viele türkische Gemüsestände, genau wie eigentlich überall in Steglitz. Insgesamt finde ich, dass die türkische Kultur in Deutschland sehr präsent ist und das schon länger als viele andere Länder. Ich bin damit aufgewachsen. Darum gehört für mich die Türkei auch eindeutig zu Europa. Ich mag den Austausch und das Zusammenkommen von Menschen aus vielen verschiedenen Ländern wie hier auf dem Markt. Das ist für mich auch Europa. || Das Foto zeigt den Wochenmarkt in Berlin-Steglitz.
Die Weltzeituhr erinnert mich immer an Europa. Dort sind zwar Länder auf der ganzen Welt abgebildet, man kann aber auch die kleinen Zeitverschiebungen hier auf dem Kontinent erkennen. Die Politik in Europa finde ich manchmal unverständlich. Ein Beispiel dafür passt auch zu der Uhr: die Abschaffung der Zeitumstellung. Ich finde es gut, dass alle Länder zustimmen müssen, wenn die Zeitumstellung wirklich abgeschafft wird. Danach soll aber wahrscheinlich jedes Land entscheiden können, ob es die Sommer - oder die Winterzeit behält. Das ist doch unsinnig. Europa lebt davon, dass Grenzen abgebaut werden und dann hat plötzlich jedes Land eine andere Uhrzeit? Die Länder sollten sich da besser absprechen. Das ist glaube ich generell ein Problem in der Politik. Es wäre auch wichtig, besser über die Europawahl zu informieren. Ich habe davon außer in der Schule noch nichts gehört. Trotzdem möchte ich wählen gehen. Das ist besser als sich ganz rauszuhalten, auch wenn Politik mich ansonsten nicht besonders interessiert. Sicher ist aber, dass ich mich gut informieren werde, bevor ich wählen gehe. || Das Foto zeigt die Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz in Berlin.

Toni in Heidenheim

Wenn ich an Europa denke, denke ich an Reisen. Das ist für mich die wichtigste Errungenschaft der EU im Alltag. Ich habe bestimmt schon die Hälfte aller europäischen Länder besucht und durch die offenen Grenzen ist das Reisen sehr viel einfacher geworden. Ich bin Halb-Bulgare und kann mich sogar noch ein wenig daran erinnern, wie es war, dorthin zu fahren, bevor Bulgarien der EU beigetreten ist – wir standen oft stundenlang im Auto an der Grenze und mussten warten. Nach meinem Abitur habe ich zunächst ein wenig gejobbt und dann sieben Monate lang ein Freiwilliges Soziales Jahr im Info-Café Berlin-Paris des DFJW gemacht. Dabei habe ich mich in Berlin verliebt. Im Vergleich zu Heidenheim, wo ich aufgewachsen bin, sind die Menschen so viel offener und man hat viel mehr Unternehmungsmöglichkeiten. Bevor ich aber anfange, in Berlin Brauereiwesen zu studieren, möchte ich erst noch nach Australien für ein Work & Travel. Das wird mein erster Aufenthalt außerhalb Europas und ich merke bei den Vorbereitungen gerade wieder, wie anstrengend die ganzen Visa- und Versicherungsangelegenheiten sind. Zum Glück ist das in Europa nicht so! || Das Foto zeigt Toni aus Heideheim.
Europa ist in unserem Leben allgegenwärtig. Meist merken wir gar nicht, wie viel Europa in unserem Alltag steckt. Wenn wir zum Beispiel griechisch essen gehen oder einen Döner, denken wir nicht darüber nach, dass Europa etwas damit zu tun hat. Insgesamt bedeutet Europa für mich Austausch von Kulturen. Ich besitze eine Sammlung von 2€-Sondermünzen. Ich strenge mich dafür nicht besonders an, sondern schaue einfach genau hin, wenn mir eine durchs Portemonnaie wandert. Auf diesen Sondermünzen, die es für alle Euroländer gibt, sind immer besondere historische Ereignisse, Personen oder Bauwerke abgebildet. Zum Beispiel gibt es eine Münze zum 30. Geburtstag der Fête de la Musique aus Frankreich und natürlich auch eine anlässlich von 25 Jahren deutscher Einheit. In diesen Münzen steckt so viel Geschichte und Kultur, das ist wirklich spannend. Aber viele Menschen wissen gar nicht, dass sie damit täglich bezahlen. Das meine ich damit, dass Europa allgegenwärtig ist. || Das Foto zeigt Tonis 2€-Sondermünzensammlung.
Ich finde Bildung ist eines der wichtigsten Themen in Europa, bekommt aber viel zu wenig Aufmerksamkeit. Es gibt unglaublich große Unterschiede zwischen den Schulsystemen in den verschiedenen Ländern und auch in der Bildung, die daraus resultiert. Nach dem Abitur konnte ich vier europäische Sprachen mehr oder weniger gut sprechen. In dem Dorf in Bulgarien, in dem meine Großmutter lebt, spricht von allen Jugendlichen dort nur ein Mädchen Englisch. Um diese Unterschiede zu verringern, wäre eine viel engere Zusammenarbeit der Länder nötig. Allerdings ist auch allein das Bildungssystem in Deutschland schon verbesserungsbedürftig. Aus welchem sozialen Milieu die Familie eines Kindes kommt, hat einen viel zu großen Einfluss auf seine Bildungschancen. Ich sehe das als großes Problem, obwohl es in anderen Ländern Europas bestimmt noch schlimmer ist. || Auf dem Bild sieht man das Hellenstein-Gymnasium in Heidenheim.
Unsere Welt wird stark von Großkonzernen und Kapitalismusdenken gelenkt. Wir sind eine Konsumgesellschaft – man kann eigentlich alles kaufen, wenn man nur genug Geld dafür in der Tasche hat. Alles muss immer noch schöner, größer und besonderer sein. Überall stehen riesige Einkaufszentren. Das ist für mich schon irgendwie europäisch. Hier in Heidenheim sind die Schloss-Arkaden sozusagen das Herz der Stadt. In unserer Stadt ist auch die Dichte der Großkonzerne besonders hoch. Wie viel Macht die haben, sieht man sehr gut an dem neuen Monopoly-Spiel, das gerade zu Heidenheim erschienen ist. Obwohl wir ein geschichtsträchtiges Schloss und auch sonst nette Sehenswürdigkeiten zu bieten haben, geht es in dem Spiel einzig um die Firmen, die hier vertreten sind. Das hebt das Thema Konzerne, Marken und Kapitalismus nochmal auf ein ganz neues Niveau. Schade, Heidenheim hätte eigentlich mehr zu bieten. || Das Bild zeigt eine Werbung für das neue Spiel Monopoly Heidenheim.
Religion ist seit jeher ein essentielles Thema in Europa. Auch wenn die Mehrheit der Menschen christlich ist, gibt es bedeutende Unterschiede im Inhalt aber auch in der Intensität des Glaubens. Zum Beispiel denke ich, dass viele Katholiken in Deutschland ihren Glauben anders praktizieren als zum Beispiel viele Katholiken in Polen. In Bulgarien sind die meisten Menschen orthodox. Inwieweit man das zum Christentum zählen kann, kann ich gar nicht so sagen. Aber auf jeden Fall finde ich es falsch, dass wir so viel darüber diskutieren, welche Probleme Flüchtlinge muslimischen Glaubens potenziell für unsere Gesellschaft bedeuten. Wir vergessen dabei, wie viel Konfliktpotenzial eigentlich schon zwischen den verschiedenen Strömungen des Christentums hier in Europa existiert. Das bezieht sich vor allem auf bestimmte moralische Werte und unterschiedlich konservative Denkweisen. Ich selbst bin Atheist, finde aber, dass allgemein Religionsfreiheit sehr wichtig ist. Jeder sollte glauben können, was er oder sie möchte, solange niemand anderes dabei zu Schaden kommt. Das sollte in Europa noch stärker verfestigt werden. || Das Bild zeigt eine Kirche auf einem Hügel in Heidenheim.
Wir in Europa sind einem ständigen Informationsüberfluss ausgesetzt. Die Presse spielt eine wichtige Rolle in unserem Alltag, aber auch davon abgesehen. gibt es unzählige Möglichkeiten, sich zu informieren. Ich glaube, das ist nicht ausschließlich positiv, da man nie genau weiß, welchen Informationen man eigentlich trauen kann. Viele Menschen leben auch in ihrer eigenen Medienblase und sehen und hören nur die Nachrichten, die zu ihrem Weltbild passen. Das ist gefährlich, denn Medien haben viel Macht und nicht alle nutzen sie auf verantwortungsbewusste Weise. Die Schlagzeilen in der Heidenheimer Zeitung spiegeln auch den Konflikt zwischen Umweltschutz und Wirtschaft sehr gut wider. Unsere Generation muss Entscheidungen treffen, um den Klimawandel zu stoppen, aber viele wirtschaftliche Interessen stehen dem entgegen. Insgesamt finde ich Klimapolitik sehr chaotisch und selbst in Europa sind wir uns nicht einig, wie zum Beispiel besser gegen Abgas-Emissionen vorgegangen werden kann. Das muss anders werden. || Das Bild zeigt die Titelseite der Heidenheimer Zeitung.
Als symbolisches Bild für Europa fällt mir sofort eine Baustelle ein. Es wurde schon einiges konstruiert, aber wir sind noch lange nicht am Ende angekommen. Zwischen den Mitgliedstaaten gibt es ein sehr hohes Konfliktpotenzial auf vielen Ebenen und das Problem der Schere zwischen Arm und Reich wird eher größer als kleiner. Obwohl die Mitgliedsstaaten der EU alle an einem Strang ziehen sollten, gibt es einen ständigen Wettkampf. Trotz aller gemeinsamen Erklärungen zählt am Ende das nationale Interesse am meisten. Das beste Beispiel dafür ist natürlich der Brexit. Die Briten haben entschieden, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz der EU-Mitgliedschaft für sie nicht positiv ist. Ob das stimmt, darüber habe ich schon verschiedenste Dinge gelesen. Aber es ist ganz klar, dass Großbritannien sein nationales Interesse hier in den Vordergrund stellt. Ich würde mich insgesamt schon als politisch interessiert bezeichnen und war auch letztes Jahr zur Bundestagswahl wählen. Ich habe eine relativ klare politische Meinung. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich bei der Europawahl dieselbe Partei wählen würde. Ich denke zwar, dass sie für Deutschland die besten Ideen hat, europaweit ist sie aber etwas anders aufgestellt. Ob ich tatsächlich wählen werde, weiß ich aber noch nicht, da ich zu dem Zeitpunkt der Wahlen in Australien sein werde. Tatsächlich weiß ich vor allem, dass die Europawahlen stattfinden, weil ich dieses Jahr beim EYE (European Youth Event) dabei war. Ansonsten stehen die Europawahlen absolut nicht im medialen Fokus finde ich – trotz des Informationsüberflusses wird man darüber zu wenig informiert. || Das Bild zeigt eine Baustelle in Heidenheim.

Chelsea in Paris

Was bedeutet Europa für mich? Ich würde sagen, Europa ist für mich Zuhause. Ich heiße Chelsea, bin 17 Jahre alt, wurde in London geboren, bin aber in Paris aufgewachsen. Trotz meiner afrikanischen Herkunft gibt es keinen anderen Ort auf der Welt, wo ich mich mehr ich selbst fühle. Ich bin hier nicht nur verwurzelt, weil ich immer hier gelebt habe, oder weil meine Freunde hier leben, sondern auch wegen der Werte hier. Die Orte, die ich fotografiert habe, sind meine Lieblingsorte in Paris: Place d’Italie, Gare du Nord, die Champs-Elysées. Den Place d’Italie mag ich für die Diversität des Stadtviertels, Gare du Nord wegen meiner Schuljahre im Collège und die Champs-Elysées wegen der Spaziergänge, die ich mit meinen Eltern dort immer am Heiligabend gemacht habe. || Das Foto zeigt Chelsea auf den Champs-Elysées vor dem Triumphbogen im 8. Arrondissement.
Hier stelle ich euch meine beste Freundin vor. Sie studiert wie ich im ersten Studienjahr Jura an der Sorbonne. Wir sind zusammen nach Spanien in den Urlaub gefahren und danach nach Island. Wunderbare Ferien! Das ist für mich Europa: Die Möglichkeit, so einfach in alle Länder zu reisen und die Möglichkeit, andere Kulturen besser kennenzulernen und Leute zu treffen. Offene Grenzen ohne Einschränkungen oder Zoll zu überschreiten: Das ist genial. || Das Foto zeigt Chelseas beste Freundin auf der Terrasse eines Pariser Cafés während der Fußballweltmeisterschaft 2018.
Kann man Fußball während der Weltmeisterschaft nicht mögen? Ich würde sagen nein. Meine Mutter kommt von den Antillen und mein Vater aus Kamerun, aber mein Herz schlägt für Frankreich. Ich habe den WM-Sieg mit meinen Freunden in ganz Paris gefeiert. So viel Zusammenhalt habe ich vorher nie gesehen: Alle haben miteinander geredet und Fotos zusammen gemacht. Wir haben vorher so viel über den WM-Sieg 1998 gehört und das jetzt nochmal selbst zu erleben war einfach magisch. || Das Foto zeigt den Place d’Italie, einen Platz im 13. Pariser Arrondissement, während der Fußballweltmeisterschaft.
Europa ist ein Ort, an dem Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen ihre Erfahrungen und Ideen teilen. Für mich ist der Place d’Italie ein Ort der sozialen und kulturellen Vielfalt – wie Europa. Ich habe Europa immer als Mix der Kulturen erlebt. Ich werde erst im Januar 2019 volljährig und muss zugeben, dass ich die europäische Politik nicht sehr verfolge. Aber trotzdem werde ich wählen gehen, das ist für mich sehr wichtig. Ich habe mir vorgenommen, mich über die verschiedenen politischen Programme zu informieren. || Das Foto zeigt den Place d’Italie, einen Platz im 13. Pariser Arrondissement, während der Fußballweltmeisterschaft.
Ich hatte eine gute Zeit in einer Wohnung in der Nähe des Gare du Nord während meiner Schuljahre im Collège. Rund um den Bahnhof ist es sehr international. Heute lebe ich an der Porte d’Ivry. In einer Stadt wie Paris ist es nicht leicht, eine Wohnung zu finden. Es gibt nicht genug bezahlbare Wohnungen. || Das Foto wurde in Chelseas ehemaliger Wohnung gemacht.

Jardel in Hamburg

Carlo und ich - das ist für mich Europa. Wir sind beste Freunde. Ich bin Halbportugiese, er ist Halbitaliener. Aber eigentlich ist das auch nicht wichtig. Wir sind einfach auf einer Wellenlänge und haben lange Basketball im Verein gespielt. Ich mache nächstes Jahr Abitur. Danach möchte ich reisen und mehr von Europa und von der Welt sehen. In Portugal, dem Land meiner Mutter, will ich einen Sprachkurs machen um meine Familie dort und das Land besser zu verstehen. Danach möchte ich nach Amerika weiterreisen, wo mein Bruder gerade studiert und dann mit einem Around-The-World-Ticket weiter nach Südamerika und Asien. Ich war noch nie außerhalb Europas. Es wird eine Selbstfindungsreise, auf der ich hoffentlich sehen werde, was mir wirklich wichtig ist. Bestimmt werde ich noch mehr entdecken, was Europa ausmacht im Vergleich zum Rest der Welt. Ich fühle mich auch jetzt schon als Europäer, Europa ist für mich Heimat. Ich denke, ich könnte mich überall auf dem Kontinent zu Hause fühlen. || Das Foto zeigt Jardel und seinen Freund Carlo.
Europa ist für mich der Stützpunkt für Fußball. Viele der Topspieler kommen hierher. Bei der Weltmeisterschaft sind die europäischen Länder immer ganz vorne mit dabei. Ich selbst habe bei der letzten WM für Portugal und Deutschland gewettet. Mein Herz schlägt für beide Länder. An Portugal mag ich die Offenheit und das Temperament. An Deutschland finde ich toll, dass es ein sehr wohlhabendes Land ist und ich das Gefühl habe, hier alle beruflichen Möglichkeiten zu bekommen. Zum Glück gibt es in Hamburg das Portugiesenviertel mit vielen Bars und Restaurants – eine perfekte Mischung. || Das Foto zeigt einen Fußballplatz im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg.
Ich fahre regelmäßig am Gebäude des Jahreszeitenverlages in Hamburg vorbei. Letztens habe ich dabei gedacht: In Europa kann man alles sagen, was man denkt. Niemand wird nur wegen einer Meinung ins Gefängnis gesteckt, wie in anderen Ländern. Wenn ein Politiker einen Fehler gemacht hat, steht das am nächsten Tag in der Zeitung. Das finde ich sehr wichtig und gut. Ich habe selbst das Gefühl, frei zu sein und genau das offen sagen zu können, was ich denke. || Das Foto zeigt das Bürogebäude des Jahreszeitenverlags in Hamburg.
Der Schriftzug „Tor zur Welt“ bedeutet für mich Offenheit. Denn für mich ist Europa ein Kontinent der Chancen. Du kannst hier viel machen, hast viele Möglichkeiten. Du kannst von einem Land ins andere reisen, in verschiedenen Ländern arbeiten. Europa schreit vor Akzeptanz. Du kannst hierherkommen und du wirst angenommen. Meistens jedenfalls. Natürlich gibt es auch Diskriminierung. Aber zum Glück sind das Einzelfälle. Ich trug eine Zeit lang Rastazöpfe auf dem Kopf und wurde deswegen von anderen Mitschülern kritisiert. So etwas sollte es nicht mehr geben. Jeder sollte sich in Europa so kleiden und so sein könne, wie er ist. Ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. || Das Foto zeigt den Schriftzug „Tor zur Welt“ am Helmut-Schmidt-Gymnasium in Hamburg-Wilhelmsburg.
Ich finde es gut, alte Kleidung zu spenden, die man nicht mehr braucht. Anderen Menschen helfen zu können, nicht zu frieren und Anziehsachen zu haben. Das ist für mich Solidarität. Die ist in Europa sehr wichtig. Ich finde es sehr gut, dass viele Leute hier hilfsbereit sind und zum Beispiel Flüchtlinge auf dem Mittelmeer retten. Auch wenn es leider Tendenzen gibt, Europa abzuschotten und die Grenzen nach Außen wieder zu stärken. Es ist für mich nur menschlich, Personen in Notsituationen zu helfen. Ich habe mich zwar persönlich noch nicht für Flüchtlinge eingesetzt, aber wenn ich jemandem begegnen würde, der Hilfe bräuchte, würde ich sofort etwas für ihn tun. || Das Foto zeigt einen Altkleidercontainer in Hamburg-Wilhelmsburg.
Denke ich an Europa, denke ich auch an Bürokratie. Europa zu verwalten muss ein unheimlich anstrengender Job sein. Ich stelle ihn mir aber auch recht langweilig und trocken vor. Alle sprechen sich immer mit allen ab, das ist bestimmt viel Arbeit. Denn das Leben von über 700 Millionen Menschen wird von dieser Europapolitik beeinflusst. Ich habe das Gefühl, dieser Prozess ist nicht sehr offen. Ich werde wahrscheinlich nicht meine Stimme abgeben bei der Wahl für das Europaparlament. Ich wusste lange nicht, dass sie im Mai ist. Ich habe das Gefühl, ich bin eher in einem Selbstfindungsprozess. Das nächste Jahr mache ich mein Abi, da habe ich andere Dinge zu tun und andere Prioritäten als Politik. Ich habe das Gefühl, nicht genug informiert zu sein, um wählen zu gehen. Ich lasse anderen erstmal den Vortritt. || Das Foto zeigt ein Bürogebäude in Hamburg-Wilhelmsburg.

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Projektjahres 2018 entstanden. Um die Gründe für den wachsenden Vertrauensverlust vieler europäischer Bürger in die Politik besser zu verstehen, verwirklichten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in deutsch-französischen Arbeitsgruppen eigene Projekte. So kamen sie mit ganz unterschiedlichen Personengruppen ins Gespräch über Demokratie und Europa.